Sehr geehrte Damen und Herren,
bereits 2006 forderte Horst Köhler „Bildung für alle". Die Kernbotschaft seiner gleichnamigen Rede ist unmissverständlich und hat auch eineinhalb Jahrzehnte später nichts an Aktualität und Brisanz verloren. Denn der damalige Bundespräsident plädierte für einen Bildungsbegriff, der weit über die Vermittlung von reinem Faktenwissen, das primär gesellschaftliche Bedürfnisse oder Anforderungen des Arbeitsmarktes widerspiegelt, hinausgeht. Lernen - so sein Fazit - endet nicht mit einem Schulabschluss, sondern begleitet uns ein Leben lang.
Die Geschichte der Erwachsenenbildung ist eng gekoppelt an die Vorstellung einer demokratisch legitimierten und agierenden Bürgergesellschaft. Beide sind ideelle Kinder der Aufklärung. Wir brauchen gebildete Menschen, die situationsunabhängig Sachverhalte analysieren können und interventionsfähig sind, sprich: Menschen, die mitdenken und sich einmischen. Horst Köhler formulierte es in seiner Berliner Rede so:
„Unsere freiheitliche Gesellschaft lebt davon, dass mündige Bürgerinnen und Bürger Verantwortung für sich und das Gemeinwohl übernehmen. Eine Diktatur kann sich ungebildete Menschen leisten - nein: sie wünscht sie sich sogar. Eine Demokratie dagegen braucht wache und interessierte Bürger, die Ideen entwickeln und Fragen stellen. Wo die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, da kann es nicht gleichgültig sein, in welcher geistigen Verfassung sich das Volk befindet: Wer Populisten, Extremisten und religiösen Fanatikern widerstehen will, braucht dafür Bildung."
In diesem Sinne ist die politische Erwachsenenbildung essenzieller Teil eines lebenslangen Lernprozesses. Denn wer sich selbst und die immer komplexer und unübersichtlicher werdende Welt, in der wir leben, verstehen und Politik mitgestalten will, braucht einen Kompass, der Orientierung und Urteilskraft verleiht. Wenn Wissen und Wertebewusstsein zusammenkommen, sind wir fähig, verantwortungsbewusst, empathisch und solidarisch zu handeln.
Dank einer (leider zeitlich begrenzten) Projektförderung durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus war es uns in den letzten drei Jahren möglich, unsere Angebote zur politischen Bildung sukzessive zu einer eigenen, vielbeachteten Sparte auszubauen. Allein im letzten Semester besuchten rund 400 Interessierte drei Dutzend - kostenlose und somit niedrigschwellig zugängliche - Veranstaltungen, um mehr über internationale und glo- bale Zusammenhänge, über politische Systeme und Ordnungen oder über die Hintergründe und Auswirkungen tagesaktueller Ereignisse zu erfahren und darüber zu diskutieren.
Auch in diesem Semester gibt es viel in der Fürther Volkshochschule zu entdecken - nicht nur, aber eben auch im Bereich der politischen Bildung. Lassen Sie sich ein auf den kritischen Austausch mit Anderen und - wie es Jürgen Habermas in seiner Theorie des kommunikativen Handelns formuliert - auf den „eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Arguments"!
Wir freuen uns auf Ihr Kommen und wünschen Ihnen ein anregendes, ebenso lehrreiches wie kurzweiliges Herbst-/Wintersemester 2023/24!
Ihr
Felice Balletta
Leiter der Volkshochschule